Roman

Das Lavendelzimmer

Das Lavendelzimmer

von: Nina George

2 Stars

Coder Credit
Es ist einer meiner Träume, vom Schreiben und Veröffentlichen zu leben. Von Nina George habe ich erfahren, als ich auf Youtube ein Video über das Schreiben fand. Sie hält darin eine inspirierende und unterhaltsame Rede und hat echt was drauf. Eine schreibende Freundin von mir, von der Rede genauso begeistert, hat sich dann „Das Lavendelzimmer“ gekauft und mochte es. Ich wollte also auch.

Die Geschichte beginnt

Jean Perdu ist Buchhändler und empfiehlt Menschen heilende Bücher in seinem Bücherschiff. Er selbst braucht jedoch auch Heilung: Er muss sich mit eine Trennung auseinandersetzen, die er schon 20 Jahre mitzieht, ohne draufzusehen. Zunächst findet er die Lösung und ist noch nicht bereit dafür. Mit dem Bücherschiff macht er sich aus dem Norden Frankreichs die Flüsse entlang auf die Suche nach Vergebung. Max, sein Begleiter, ist Schriftsteller, und sucht nach seiner zweiten Buchidee, nachdem sein erstes Buch dummerweise ein Erfolg geworden ist.

Meinung

Mich hat manches an dem Buch gestört, daher zunächst das Schöne:

Die Idee des heilenden Lesens.
Die Herleitung des Hauptkonflikts, die mir den Atem geraubt hat.
Die Monologe von Max zum Auftakt der Reise.
Die Szene mit dem Reh.
Die Erkenntnis, dass sie nicht dort ist, und wo sie dann ist.
Die Vorschläge im Anhang
Wie die Beziehung von Jeans Eltern beschrieben ist
Alles, was Nina George über das Leben schreibt
Sie schreibt außerdem gut über Essen

Und nun der Rest:

Die Geschichte enthält Grundthemen, die mich sehr interessieren. Dass Bücher heilen können, halte ich für wahr. Ich meinte, ich würde begeistert sein, war es aber nicht.

Zum Anfang habe ich hintereinanderweg gelesen. Ich war motiviert, weiterzulesen, wenn ich das Buch weglegen musste. Es ist gut aufgebaut, ich verstehe alles, die Figuren waren zunächst interessant; nur eines ist mir schnell aufgefallen: Sie reden alle sehr poliert. Oft dachte ich: „Das würde kein Mensch so sagen“ und das stellte eine Distanz zur Geschichte her. So konnte ich mich nicht ganz darauf einlassen, habe mir aber überlegt: „OK, nehmen wir es als Märchen, vielleicht ist es so gedacht.“ Dennoch blieb die Distanz und ich kam nie ganz rein. Es war wie ein Märchen, das mit sich selbst als Märchen nicht zufrieden ist und angestrengt versucht, glaubhaft zu sein.

Männer reden und verhalten sich recht weiblich. Jeder in dem Buch ist so verständnisvoll und empathisch wie die Autorin selbst. Es gibt keine Charaktere, die keine tiefen Einsichten in Gefühle formulieren könnten. Alle sind ständig ehrlich miteinander, keiner verzweifelt vollkommen oder ist einfach ein Arsch, der nichts blickt. Nichts, nichts, keine Reibung. Für Konflikte gibt es eine Standard-Lösung. Mir ist es daher zu süßlich. Am Anfang konnte ich noch gut damit umgehen, gegen Ende aber wurde es mir immer vorhersehbarer und gleichzeitig rührseliger. Vielleicht bin ich nicht die Zielgruppe, auch wenn ich Märchen mag und Bücher liebe.

Es ist seltsam, dass das Buch in Frankreich spielt, Nina George soviel französische Seele in die Beschreibung der Dörfer entlang der Wasserstraßen legt, und dann gibt es Stellen, da geht es um Wörter. Und es geht ganz eindeutig um die deutschen Wörter in ihrem Klang, über den die Figur reflektiert. Das zerstört dann meine Vorstellung, dass die Geschichte ja eigentlich in Frankreich spielt und nur eben deutsch erzählt wird.

Oft fühlte ich mich mit Erkenntnissen beworfen, kleine Weisheiten oder Moralen, die Nina George hier und da miteinbringt, indem sie sie Menschen sagen lässt. So klangen auch viele Nebenfiguren für mich sehr gleich in ihrer Sprache.

Beworfen fühlte ich mich außerdem mit Metaphern. Ich fühle mich ja sehr wohl in Büchern , in denen Gefühle benannt werden, die ich manchmal nur vage in mir registriere. Man denkt nicht immer in Worten, manchmal fühlt man nur etwas, kennt auch das Gefühl, merkt „aha“ und macht dann weiter im Text, ohne dem Gefühl einen Namen gegeben zu haben. Oft sind das Gefühle, von denen ich denke sie wären nur mir passiert, wären typisch oder einzigartig. Und dann auf einmal, wenn ein Autor mir exakt dieses Gefühl beschreiben kann, bin ich nicht mehr allein. Sieh an, ein anderer Mensch hat es auch bemerkt! Vielleicht haben das sogar viele?

Mit diesem Gedanken glaube ich, das werfen mit Moral kommt daher, dass Nina George das Buch als Trostbuch geschrieben hat. Ich stelle mit vor, dass sie vielleicht für viele Situation, in denen die Leser sein könnten, Trost spenden wollte, so dass jeder einen tröstenden Satz für sich in dem Buch findet. Ich habe meinen auch gefunden. Das führt aber leider auch dazu, dass man sich vielen Moralen gegenübersieht, die einen einfach auf dem falschen Fuß erwischen. Die einem nichts sagen, die man nicht lesen will, die man jetzt nicht lesen will, oder die einfach egal sind.

Das Ende ist sehr geschlossen mit wenig Interpretationsspielraum. Das heißt als Leser könnt ihr nur entweder zufrieden oder unzufrieden damit sein.

Was bleibt

So ein seltsames vages Bedauern darüber, was ich in dem Buch nicht gefunden habe. Getröstet bin ich nicht, aber das Hauptthema brennt mir auch nicht sehr unter den Nägeln.