5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen - Einsichten, die ihr Leben verändern werden
Autorin: Bronnie Ware
Verlag: arkana
Seiten: 352
ISBN: 978-3-442-34129-0
Übersetzerin: Wibke Kuhn
Erscheinungsjahr: 2013
Buchseite im Verlag
Aufbau
Das Buch hat zwei Themen: Bronnies eigene Lebenserfahrungen und die Einsichten Sterbender, die sie als Sterbebegleiterin betreut hat. Es gibt 5 Punkte der Reue und je drei Kapitel pro jeweiligem, von den Sterbenden angesprochenen Reue-Thema. Dann schreibt sie noch in jedem Kapitel, wie sie selbst in ihrem Leben etwas zum Thema gelernt hat und erzählt so nach und nach ihren Lebenslauf. Zusätzlich erzählen die ersten paar Kapitel nur davon, wie sie zum Sterbebegleiter-Job gefunden und was sie davor gemacht hat. Und auch die letzten drei Kapitel handeln überhaupt nur von ihr, und was sie dann noch so weiter gemacht hat. All das führt dazu, dass das Buch viel weitschweifiger ist als man erwartet, und die Geschichten der Sterbenden leider fast zur Nebensache werden, die für mich das einzige Thema hätten sein sollen.So ist das also. Es ist ihr erstes Buch, und ich habe das Gefühl, sie ist genau auf das gekommen, was wohl die meisten Leute intuitiv tun würden, die „mal ein Buch schreiben“ wollen: Sie hat einfach größtenteils ihr eigenes Leben erzählt, und was sie so daraus gelernt hat.
Gutes
Bei allen Action-Masturbationen, Kriegs- oder Horrorfilmen, Krimis, Thrillern und realen brutalen Nachrichten, die um uns sind, war es sehr wohltuend, in diesem Buch einfach mal ein paar ruhige, friedliche Tode zu lesen. Denn wenn Bronnie beim Tod eines ihrer Patienten anwesend war, beschreibt sie die damalige Situation auch für die Leser. Es sind angenehm zu lesende Tode. Alle Patienten, die sie im Buch beschreibt, haben noch ihren Frieden machen können und haben in ihren letzten Stunden oft Familie und Freunde um sich.Das Buch hat auch eine gewisse positive Ausstrahlung, Bronnie Ware schreibt viel von Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Authentizität. Ich habe gemerkt, wie ich selbst offener wurde, während ich darin las, freundlicher, und meinen Mitmenschen mehr zugewandt. Etwa, wenn ich gerade in der S-Bahn oder Bahn gelesen habe, dann entspann sich, wenn ich zwischendurch in die Umgebung schaute, oft mal ein nettes Gespräch oder ich tauschte Lächeln.
Bedenken: Spiritualität
Die Autorin ist selbst ziemlich spirituell unterwegs, und dass sie dabei nicht differenziert sondern ihre Ansichten als Tatsachen hinstellt, könnte manche stören. Sie meditiert, sie betet, sie glaubt scheinbar nicht an Zufälle. Dafür auf jeden Fall daran, dass man nach dem Tod irgendwo hin kommt und dass Menschen oder Geister Zeichen schicken können. Es klingt alles sehr hübsch bei ihr und sie schreibt, dass ihr ihre Einstellung im Leben hilft, aber meins ist es nicht. Ein wenig bevormundet fühlt man sich auch.Bedenklich wird es für mich zum Beispiel, wenn sie von einer tiefen Depression schreibt, die sie erlebte, und dazu, dass Medikamente „nicht das Richtige“ für sie waren, auch wenn sie „niemanden dafür verurteile“, der es mit Medikamenten versucht. Da würde man sich doch von einer Autorin eines in 27 Sprachen übersetzten Bestsellers wünschen, dass sie Medikamente nicht nur nicht verurteilt (sollte selbstverständlich sein), sondern dass sie vielleicht auch dazu ermutigt, das solche Medikamente für manche eine große Hilfe und Stütze sein können.
Dann schreibt sie, wie sie eines Tages nur ein Anruf von einem schon detailliert geplanten Selbstmord abhielt. Für sie natürlich kein Zufall, Schicksal und so weiter. Ich jedoch kann nicht anders, als daran zu denken, dass es genug Menschen gab und noch geben kann, für die kein Anruf kommt. Und ich denke: Wer auf ihren Rat hört, wäre dann vielleicht nicht eines Tages erfolgreiche Ratgeberautorin, sondern einfach tot.
Weitere im Buch unhinterfragte Einstellungen:
Man sollte sich ständig auf das Gute konzentrieren. Man sollte den „Verstand überwinden“ und auf das Herz hören. Ein Leben ohne Probleme ist möglich.
All das finde ich gefährlich. So ist meiner Meinung nach das lohnenswertere Ziel, zu lernen, wann man am besten auf den Verstand, und wann auf das Herz hört, aber bestimmt nicht, den Verstand komplett abzuschaffen. Genauso sollte man gute Strategien lernen, mit Problemen umzugehen, statt sich nur in ein problemfreies Leben zu wünschen. Es ist halt nicht immer alles nur gut.
Generell erscheint die Autorin eben oft unsicher, und da wäre es ja nichts Neues, sich in so einer Verfassung in spirituelle Extreme zu stürzen. Ich halte sie daher für keine gute Lebensratgeberin.
Lohnt?
Die Kapitel über die Sterbenden sind empfehlenswert. Die Lebensgeschichte der Autorin jedoch wird immer langatmiger und unnötiger. Durch die letzten zwei Kapitel musste ich mich quälen.
Es lohnt sich die 5 Reue-Punkte der Sterbenden zu kennen. Doch ich linke euch lieber mal ihren ursprünglichen Blogbeitrag, aus dem heraus die Idee zum Buch entstanden ist. Für diejenigen, die Englisch können, stehen dort die 5 Punkte ohne das ganze Drum und dran.
http://bronnieware.com/regrets-of-the-dying/
Das Buch empfehle ich aus der Bibliothek zu leihen, wenn es euch interessiert. Meine hatte es.
weitere positive Besprechung auf Youtube: Ginger Valou
17. Juni 2016 um 14:40
Tolle Rezension!
Vom Titel her hätte ich auch erwartet, dass die 5 Punkte den Hauptteil bilden und nicht unbedingt die Lebensgeschichte der Autorin darin platziert ist.
Gerade wenn die Autorin auch noch eine Meinung hat, die mit der eigenen nicht immer konform geht, fällt mir das Rezensieren immer ein bisschen schwieriger. Ich kann deine Kritikpunkte daher gut nachvollziehen.
17. Juni 2016 um 15:09
Danke für das Kompliment! Da geht mir das Herz auf. <3
Ich hatte beim Schreiben oft das Gefühl, dass meine Bedenken am Thema Sterben, Reue etc. so vorbei gehen. Aber es liegt halt daran, dass leider auch das Buch irgendwie daran vorbei ging.
Schön die Rückmeldung zu bekommen, dass Kritik nachvollziehbar formuliert ist. Ich versuche ab jetzt immer mal noch andere Rezensionen zu finden und zu verlinken, damit man mehr Eindrücke haben kann, wenn man möchte.
19. Juni 2016 um 23:24
Das ist eine tolle Idee. 🙂
19. Juni 2016 um 23:40
Danke, ich bin nicht die erste mit der Idee. Habe das auf anderen Blogs schon so gesehen und finde es dort als Leser auch sehr hilfreich. 🙂
22. Juni 2016 um 14:48
Hey,
dieses Buch hatte ich schon ein paar Mal in der Hand und wollte es mitnehmen als ich noch im Buchhandel arbeitete.
Das Thema an sich ist keine leichte Kost und ich verdränge den Tod sehr gern. Aber manchmal schleicht er sich auch in meine Gedanken.
Persönlich habe ich immer das Gefühl, dass ich mir zu sehr einen Kopf um alles mache, was möglicherweise schief laufen könnte und sich so gern Sorgen anhäufen. Ein bisschen mehr Gelassenheit wäre da gut, vielleicht hat das auch Bronnie Ware ähnlich gemeint.
Das Thema Spiritualität hat mich dann immer wieder vom Kauf abgehalten, denn ich bin nicht so. 😉
22. Juni 2016 um 19:27
Das Buch ist in einem Forum viel empfohlen worden in dem ich früher oft unterwegs war, von einer Userin, deren Beiträge ich sehr schätze.
Dann hatte ich es im Buchladen auch schon in der Hand. Jetzt bin ich froh, dass ich es doch nicht gekauft habe. Ich dachte ich würde so ein Buch sicher öfter lesen. Aber dazu war es dann zu anders, als ich erwartet hab.
Sich weniger Sorgen zu machen und zu genießen was man gerade hat ist eine gesunde Einstellung. 🙂
Die Autorin habe ich aber eher so verstanden, dass Gelassenheit für sie bedeutet, nicht zuviel zu planen und „loszulassen“, weil das Leben dann von allein einen positiven Weg gehen wird auf Arten, die man nicht hätte vorhersehen können. Ich glaube da ist bei ihr wieder so ein Gefühl dahinter, dass es einen großen Plan gibt. Urvertrauen.
Und ich glaube wenn sie nicht zufällig in einem sehr reichen Land geboren wäre, könnte sie es sich nicht leisten, so zu denken. Ich halte das für ein Privileg.
Ich war als Jugendliche voll spirituell drauf. Inzwischen seh ich das auch ganz anders.
3. Februar 2020 um 23:05
Ich bin echt froh, dass ich nach den ganzen positiven Bewertungen, die mir schon das Gefühl gegeben haben, ich verstehe das Buch nicht, in dieser Rezension genau das gefunden habe, was ich beim Lesen empfunden habe. Obwohl ich sogar noch weiter gehen würde: ich hab zwischendurch immer wieder und am Ende auch noch mal gedacht, „Thema verfehlt“, da es sehr viel mehr um die Lebensgeschichte und die „Heilung“ der Autorin geht, als um die im Titel angekündigten 5 Dinge. Wenn sich die Autorin auf diese konzentriert hätte, wäre das Buch mit einem Drittel der Seiten ausgekommen anstatt zur langatmigen und teilweise auch langweiligen Selbstdarstellung zu verkommen
4. Februar 2020 um 14:27
Hi Karin 🙂
vielen lieben Dank dass Du Dir die Zeit genommen hast, zu schreiben und mir mit Deinem Kommentar auch noch mal das Gefühl gegeben hast, nicht allein zu sein. 🙂
Ich hab darauf hin mal die Amazon Rezensionen des Buches angeguckt und dort sind auch ein paar Leute unserer Meinung. Auch wollte ich sehen, ob es vielleicht inzwischen eine neu überarbeitete Auflage gibt.Aber scheinbar ist das Buch doch erfolgreich genug, als dass die Autorin keinen Grund sieht, es grundsätzlich zu ändern um dem Titel gerechter zu werden.
liebe Grüße und noch einen schönen Start in die Woche!
Andrea
28. August 2020 um 8:26
Ich werde das Buch jetzt weglegen…es langweilt mich .Schöne, liebevolle Geschichten sind es schon und es kann den Blick auf unser privilegierten Leben mit etwas Dankbarkeit und Demut bereichern.
Aber das Gesicht des Todes ist oft eine Fratze.Erfahren mußte ich das durch meine Arbeit als Krankenschwester im stationären Hospiz, sowie auf anderen Stationen verschiedener Krankenhäuser.
Nun arbeite ich seit Kurzem auf einer Entbindungsstation und,wie sollte es anders sein,erlebe ich viel Freude.
Aber dieses Buch- ?Auch die Sprache ist oft so seicht …wie gesagt,ich lege es weg.
28. August 2020 um 14:57
Hallo Claudia,
ja, ich kann verstehen wenn Du das Buch mit dem Hintergrund nicht zu Ende geschafft hast.
Vielen Dank für Deine wichtige Arbeit, sowohl im Hospiz, als auch auf der Entbindungsstation! Ich finde beides sehr mutig und bewundernswert! Ich hoffe, mit Deiner neuen Arbeit geht es Dir besser.