Seit einer Weile hat Verena den Traum. Den Traum, in dem Tom keine Rolle spielt. Verena und Tom sind 18 und stehen kurz vor dem Abitur. Ihre Freizeit ist Lernen. Seit 5 Jahren sind beide zusammen. Er weiß, wie ihre Küssen schmecken, wenn sie Hunger hat, und sie weiß, wenn er gleich etwas Dummes sagen wird. Am Wochenende gehen sie tanzen. Beide fragen sich, wie Sex wohl mit jemand anderem wäre. Und als sie beide Menschen finden, die die Erfahrung möglich machen, verabreden sie eine "Auszeit" bis zum Studienbeginn.

Sie sagt: "Also machen wir ganz normal weiter, aber haben auch unsere Freiheiten. Eine offene Beziehung auf Zeit."
"Und nach drei Monaten ist alles vorbei."
"Und verlieben darf sich keiner."

Die Rechte am Cover hat der Loewe Verlag

Die Rechte am Cover hat der Loewe Verlag


Ein Sommer ohne uns

Autorin: Sabine Both
Verlag: Loewe
Seiten: 240
ISBN: 978-3-7855-8222-0
Erscheinungsjahr: 2016

Buchseite beim Verlag





Gestaltung

Es hat mir viel Freude gemacht, wie viele Gedanken in die Gestaltung des Buches geflossen sind. Wie die beiden Jugendlichen sich an den Buchsteg lehnen, hat mich gleich fasziniert, als ich das Buch auf Lovelybooks das erste Mal gesehen habe.

IMG_20160629_192811986Im Buch liest man die Geschichte abwechselnd aus Toms und aus Verenas Perspektive. Ihre Beziehung ist in einer Umbruchsphase. Sie werden sich etwas fremd, reden wenig mit einander. Als Leser wissen wir aber jederzeit, was beide fühlen, was sie vereint und trennt und was sie einander nicht sagen können.

Ihre Perspektiven werden durch unterschiedliche Schriftarten von einander abgehoben. Für Verena steht eine Serifenschrift. Sie kommt mir sehr vertraut vor. Ich würde mich hier aus dem Fenster lehnen und sagen, dass es Times New Roman ist.
Für Tom wird eine klare Schrift mit schmaler Schriftweite und ohne Serifen verwendet. Da rate ich jetzt mal nicht. Wenn ihr das Buch schon in der Hand hattet und euch mit Schriftarten besser auskennt, könnt ihr es mir ja mal in die Kommentare schreiben. 🙂

Die Anteile beider Partner sind höchstens mal zwei Seiten lang. Durch die häufigen Wechsel liest sich das Buch flüssig und schnell zwischendurch.

Sprache

Der Text ist solides Schreibhandwerk. Kurze, aktive Sätze. Auch dadurch liest sich die Geschichte schnell. "Show, don't tell" wird möglich durch die erwähnten beiden Perspektiven.
Sabine Both zeigt was Verena und Tom tun. Wir lesen ihre Gedanken und Gefühle, aber es gibt keine Spekulationen oder Interpretationen in der Erzählung, die dem Leser das Denken abnehmen.

Die Autorin versteht auch, uns mit den Sinnen mitzunehmen: Glitzern, Blätterrascheln, Schweißgeruch. Die Gefühle der Jugendlichen kann sie zeigen und benennen. Ich war in die Figuren investiert. Manchmal jedoch scheinen ihr die Worte zu fehlen: "Verena lächelt, wie Verena lächelt." "Es fühlt sich an, wie wenn Tom Verena küsst." Isoliert erscheinen solche Sätze vielleicht nicht bemerkenswert. Und ja, so zeigt man, dass das Lächeln und das Gefühl des Kusses individuell sind. Aber irgendwann war mir dieses Stilmittel über. Wie fühlt es sich denn nun an?!

Insgesamt hatte ich eher den Leseeindruck, dass hier mehr Schreibtechniken erlernt und gut angewandt wurden, als das ein eigener übergreifender Stil erkennbar war.

Handlung und Charaktere

Ich habe das Buch in die Hand genommen, weil ich Geschichten über offene Beziehungen suche. Ich bin neugierig wer wie darüber schreibt.
Ich denke, dass für gewöhnlich in Geschichten, in denen Beziehungen verrosten und in denen dritte Personen auftauchen, im Themenfeld Untreue - entweder Seitensprung oder Affäre – weiter gemacht, und währenddessen die Moralkeulen geschwungen werden. (Empfiehlt mir gerne Bücher, wo es nicht so ist. Ich hoffe, dass ich von vielen bisher einfach nicht weiß.)

Hier ist die Prämisse also, dass Verena und Tom in einer Krise stecken, weil sie sich beide Fragen, wie Sex wohl mit anderen ist, nachdem sie die erste Beziehung füreinander, und von 13 bis 18 Jahren zusammen und sich sexuell treu waren.

Ich mag, dass die Geschichte aus beiden Perspektiven Geschrieben ist. Ich fand es schade, dass – mir schien es so – Verenas Perspektive detaillierter und komplexer beschrieben wird als Toms.
Ich mag, das beide Menschen finden, die sie locken. Schade fand ich wiederum, dass diese beiden recht farblose Charaktere bleiben.

Isabelle, die Toms Interesse geweckt hat, ist so die Klischee Femme Fatale, mit ihrem schwarzen langen Haar, den überkniehohen Stiefeln und kurzen Fummeln, die sich - sich ihrer erotischen Ausstrahlung bewusst - stets hüftschwingend bewegt und geheimnisunwabert in dämmerbeleuchtete Barkeller lockt. Sie bekam minimale Facetten durch etwas weniger schablonenhaftes Verhalten erst am Ende des Buches.
Jesse, den sich Verena ausgesucht hat, ist ebenso natürlich Sänger eine Band, älter und reifer, hat ein paar Studienfreunde, hat auch romantisches Interesse an ihr und für eine Beziehung, ist recht rücksichtsvoll und.... da hört die Charakterisierung auch schon wieder auf. Ich glaube wir haben noch nicht einmal erfahren, was er studiert.

Nicht nur diese beiden Figuren bleiben blass. Das Buch versucht soviel auf einmal, dass für mein Empfinden alle Nebencharaktere bis auf Verenas großen Bruder Rollo eindimensional sind.
Die Geschichte hat einen Handlungsstrang in der Elterngeneration, da gibt es Untreue. Dann gibt es einen Strang mit Rollo, der sich das erste Mal verliebt, nachdem er sonst die Mädchen immer nur für eine Nacht abgeschleppt hat.
Dann gibt es Verenas Freundin Anna, die sich in den gemeinsamen Freund Felix verliebt. Bei ihr ist das Modell, dass sie sich vorher genug ausgelebt hat, und sich deswegen jetzt eine längere Beziehung vorstellen kann, in der sie lange Zeit mit niemand anderem schlafen will.

Ich kann die Idee verstehen, dass alle diese Beziehungsmodelle einander spiegeln, dass die Beziehungen ein Echo aufeinander werfen sollen. Die Ambition ist lobenswert aber es wäre mir lieber gewesen, wenn die Autorin manche Geschichte nicht angegangen wäre, etwa die Eltern-Story, und dafür die jugendlichen Charaktere mehr Entwicklung und komplexe Beschreibung erfahren hätten. Auch die Hauptfiguren Verena und Tom.

Schade fand ich auch, dass die Handlung an einem Punkt einfach zeitlich unterbrochen wurde, an dem Beziehungs-Kommunikation endlich unausweichlich war. Fühlte sich ein wenig so an, als wenn die Autorin sich da drumherum mogeln wollte. Dabei hätte ich mir von der Geschichte gewünscht, dass sie gerade dann genau hinsieht.

Was bleibt:

Annerkennung, dass es die Geschichte gibt. Leises Echo einer kurzweiligen Lektüre, leider ohne viel Tiefgang.

Zweitlesefaktor:

1 von 10 . Vielleicht, um noch ein wenig Charakter aus den Nebenfiguren zu kitzeln, den man am Anfang überlesen hat. Ansonsten sagt das Buch leider im ersten Lesedurchgang schon alles.

Lohnt?

Eher für Jugendliche, um sich einfach mal in Figuren wiederzufinden, die den Gedanken, sich Freiheit zu geben, ausleben. Da es aber so ein typisches Buch ist, wo mir einmal Lesen reicht, würde ich es aus einer Bibliothek holen, wenn das möglich ist.


weitere Rezensionen:

Blogs: Wortmalerei, Seitenblicke-Blog, Piranhapudel
Youtube: Tintenwelten (überlegt), Camille (enthusiastisch), CocuriRuby (kurz)